Im Interview mit Pia Baur
„Wie geht’s dir?“ „Gut – und dir?“ „Auch gut, danke!“ Wer kennt ihn nicht, den klassischen Smalltalk mit der unvermeidlichen Frage nach dem Befinden, die meist oberflächlich abgehandelt wird. Zum einen, weil eine spontane Begegnung in der Supermarktschlange wohl eher selten das Bedürfnis auslöst, einem entfernten Bekannten das Herz auszuschütten. Zum anderen aber, weil es oft gar nicht so leicht fällt, aus dem Stegreif eine ehrliche Antwort zu geben – weder dem Gegenüber noch sich selbst.
Pia Baur kennt das. Sie ist Expertin für ganzheitliches, systemisches Coaching, Speaking und Training im Bereich emotionale Intelligenz, Resilienz, Kommunikation und Achtsamkeit. Im Interview mit ihr erfahren wir, warum es so wichtig ist, sich bewusst Zeit für mentale Gesundheit zu nehmen und wie wir diese stärken können.
Pia, kannst du genauer beschreiben, was du in deiner Rolle als systemischer Life- und Business Coach machst?
Als systemischer Life- und Business-Coach integriere ich einen ganzheitlichen Ansatz und Blick auf Mind, Body und Soul, der auf Elementen aus Personal- und Business-Coaching, Psychologie, Neurowissenschaften sowie Achtsamkeitstraining basiert. Mein Hauptziel ist es, somit eine harmonische Balance in allen Lebensbereichen herzustellen und Menschen dabei zu unterstützen, ihr volles Potenzial zu entfalten. Der holistische Ansatz ähnelt dem von Sebastian Kneipp.
Eine zentrale Rolle in meinen Coachings spielt beispielsweise die Integration von Bewegung, da diese nicht nur den Körper stärkt, sondern auch den Geist beruhigt: Yoga, Meditation und Achtsamkeitspraktiken sind essentielle Elemente meiner Arbeit. Ebenso wie das Erlernen verschiedener Methoden für den Umgang mit Stress, Zweifeln und Blockaden, um ein Leben in Zufriedenheit und Authentizität zu ermöglichen.
Wie hast du zu diesem Beruf gefunden?
Mein Weg zum systemischen Coach und Achtsamkeits- und Resilienzexpertin war geprägt von einer persönlichen Reise der Selbstreflexion und Neuausrichtung: Nachdem ich in renommierten Unternehmen im Management tätig war und meinen Erfolg hauptsächlich im Außen suchte, merkte ich irgendwann eine gewisse innere Leere in mir.
Nicht zuletzt durch Yoga und mehrere Coaching-Ausbildungen sowie Weiterbildungen fand ich Jahre später schließlich meinen Weg zurück in die Unternehmenswelt – diesmal jedoch mit einer klaren Mission: Menschen dabei zu helfen, ein Leben in Einklang mit ihren wahren Werten und Bedürfnissen zu führen und Vorbilder, wie Führungskräfte auszubilden.
Verrätst du uns Tipps, um die mentale Gesundheit im hektischen Alltag zu stärken?
Erstens: Pausen einlegen. Unser Gehirn kann nicht kontinuierlich Höchstleistung erbringen; deshalb ist es wichtig, in den Pausen aktiv zu entspannen, sich zu bewegen oder inspirierende Gespräche zu führen. Die sogenannte Pomodoro-Technik eignet sich hervorragend, um diese Pausen in den Arbeitsalltag einzubauen: Es handelt sich dabei um eine Zeitmanagement-Methode, welche die Produktivität steigern und die Konzentration verbessern soll. Sie basiert auf dem Prinzip von kurzen Arbeitsintervallen, in der Regel 25 Minuten, gefolgt von kurzen Pausen. Nach einer bestimmten Anzahl von Arbeitsintervallen wird eine längere Pause eingelegt. Der Name stammt übrigens von der Küchenuhr in Tomatenform (italienisch: "Pomodoro"), die der Erfinder Francesco Cirillo verwendet hat, als er die Methode entwickelte.
Zweitens: Regelmäßige Bewegung – auch am Arbeitsplatz. Ein kurzer „Desktop-Stretch" oder eine kleine Yoga-Einheit können helfen, Verspannungen zu lösen und den Geist zu klären.
Drittens: Bewusstes Atmen. Durch tiefe Bauchatmung können wir unseren Vagusnerv stimulieren, der für Entspannung zuständig ist. Kleine Atemübungen, wie tiefes Bauchatmen oder das sogenannte Box-Breathing, können helfen, das Nervensystem zu beruhigen und den Stresspegel zu senken. Auch das Rollen der Augen langsam im Uhrzeigersinn kann beim Entspannen helfen.
Box-Breathing, auch bekannt als Vier-Viertel-Atem, ist eine Atemtechnik:
4 Sekunden einatmen – 4 Sekunden anhalten – 4 Sekunden ausatmen – 4 Sekunde Pause
Diese Methode kann den Cortisolspiegel senken, die Entspannung des Nervensystems fördern und helfen, die Herzfrequenz und den Blutdruck zu regulieren.
In diesem Zusammenhang wird auch die Bedeutung von Selbstfürsorge immer wieder betont. Welche konkreten Selbstfürsorge-Tipps gibst du gerne mit auf den Weg, um mentale Widerstandsfähigkeit zu trainieren?
Meine Top 3 sind:
1. Meditation und Atem-Meditation: Regelmäßige Meditation und Atemübungen helfen dabei, den Geist zu beruhigen, innere Unruhe zu mildern und psychischen Erkrankungen vorzubeugen.
2. Bodyscan und Muskelrelaxation: Durch den Bodyscan können wir lernen, unseren Körper bewusst wahrzunehmen und Spannungen zu lösen. Progressive Muskelentspannung zielt darauf ab, die Muskeln gezielt zu entspannen und so körperliche Anspannung abzubauen.
3. Dankbarkeitstagebuch: Das Führen eines Dankbarkeitstagebuchs lenkt den Fokus auf die positiven Aspekte des Lebens und fördert eine zuversichtliche Haltung. Wichtig: Immer daran denken, sich auch mal selbst zu danken – zum Beispiel dafür, dass man sich motiviert hat, die Küche zu putzen!
Zusätzlich dazu möchte ich zwei weitere wichtige Aspekte hervorheben, die unsere Resilienz stärken können:
Bewusstsein über die innere Haltung: Resilienz beinhaltet die Fähigkeit, auch in Situationen, die uns Angst machen, stressen oder Sorgen bereiten, zuversichtlich zu bleiben und Lösungen zu finden. Dabei hilft z.B. die Technik „Put it in perspective“: Indem wir unsere Perspektive überprüfen und uns fragen, was das Schlimmste, Beste und Realistischste sein könnte, können wir lernen, Situation objektiver zu betrachten und realistischere Erwartungen zu entwickeln. Diese Herangehensweise kann dabei helfen, pessimistische Gedanken zu überwinden und eine zuversichtlichere Einstellung zu entwickeln.
Gute Gespräche: Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass aktives Zuhören und das Führen von einfühlsamen Gesprächen nicht nur Stress abbauen, sondern auch das Wohlbefinden stärken können. Es ist wichtig, sich Zeit für solche Gespräche zu nehmen, um Verbindung und Vertrauen aufzubauen und so innere Ruhe zu fördern.
Danke für das Interview, Pia! Wir fangen gleich heute an, deine Tipps umzusetzen.
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